Geburtsbericht - anonym 7

 

Nachdem das Baby nun schon fünf Tage überfällig ist und draußen die Herbstsonne scheint, beschließen wir am Morgen, noch eine kleine Wanderung zu wagen. Unsere Tochter erfreut sich an den im Sonnenschein fliegenden Blättern und sagt das erste Mal „Baum“. Meine Frau spricht noch einmal ein „ernstes“ Wort mit ihrem Bauch und ich habe das Gefühl, dass heute ein guter Tag für eine schöne Geburt ist. Am Nachmittag klatscht die große Schwester den Bauch noch einmal ordentlich ab und man könnte meinen, dass auch sie dem Baby den nahenden Auszug ankündigen will.
So sind wir auch nicht sehr überrascht, als sich um 18 Uhr die ersten kleineren Wehen ankündigen. Dann ist aber erst noch mal Pause und wir beschließen ins Bett zu gehen. War wohl doch nichts, mit der männlichen Intuition. Kaum liegen wir auf dem Bett, verzieht meine Frau ihr Gesicht (bei der letzten Geburt ging es auch um 23 Uhr los).
Gegen 24 Uhr rufen wir meine Schwiegereltern an, die schon leicht verschlafen ans Telefon gehen. Sie haben sich die letzten Wochen bereitgehalten, um auf unsere erste Tochter aufzupassen. Ganz außer Atem kommen sie um 01.15 Uhr bei uns an. Meine Frau ist erstaunlich gelassen, wenn sie nicht gerade von einer Wehe „in die Knie" gezwungen wird.
Um viertel vor zwei machen wir uns endlich auf den Weg nach Idstein. Im Auto zähle ich bei jeder Wehe mit. Mittlerweile bleiben noch 3 min, um sich zwischen den Wehen zu entspannen. So bin ich wirklich froh, als wir um 2.15 Uhr im Geburtshaus ankommen und Yvonne uns die Tür öffnet.
Yvonne und die Hebammenschülerin Anja haben Kerzen im Raum aufgestellt und alles vorbereitet. Zuerst wird ein CTG geschrieben, anschließend schaut Yvonne nach dem Muttermund und verkündet (zu meiner Erleichterung), dass schon 6 cm geschafft sind. Ich kann mir den Spaß nicht verkneifen, zu behaupten, dass wir zur Öffnung des Bäckers um 6.30 Uhr wieder mit frischen Brötchen zu Hause sind. Meine Frau findet das nicht wirklich lustig, da ihre Wehen nun immer stärker werden.
Die Herztöne des Babys sind prima und das Wasser wird in die große Badewanne eingelassen. Ich bin erstaunt, wie gut es meiner Frau gelingt, sich zwischen den Wehen immer wieder zu entspannen. Bei der letzten Geburt war sie vor allem mit der Befüllung von Kotz-Schälchen beschäftigt.
Die nächste Stunde vergeht wie im Fluge und wir übersehen fast die Zeitumstellung, die uns eine zusätzliche Stunde in dieser Nacht schenkt, so dass ich meinen Bäckerwitz nochmal wiederholen kann. Oje, dieser Blick!
Irgendwann reicht es in der Wanne und meine Frau steigt aus. Dabei springt nun auch die Fruchtblase und ich kann sehen, wie ihr Bauch mindestens fünf Zentimeter nach unten rutscht.
Sie läuft stöhnend und schreiend durch den Raum und ich habe auf der einen Seite ein schlechtes Gewissen, weil ich ihr die Schmerzen nicht abnehmen kann und auf der anderen Seite bin ich froh, dass es so gut voran geht. Yvonne ist die Ruhe in Person und kann meine Frau immer wieder gut unterstützen. Ich weiß zwischendurch nicht, vor wem ich mehr Respekt habe: vor meiner schreienden Frau, die wirklich alles gibt oder vor Yvonne die viel Ruhe und Energie ausstrahlt.
Die zweite Hebamme Nicole kommt keine 5 min zu früh hinzu, da meine Frau schon im Vierfüßlerstand auf dem Bett kniet. Nun geht es richtig rund und nach ein paar weiteren Wehen fühlt sie schon mit der Hand den Kopf des Babys zwischen ihren Beinen. Im Gegensatz zur letzten Geburt traue ich mich nun auch richtig hinzuschauen und bin fasziniert von den vielen Haare auf dem kleinen Kopf. Noch zweimal pressen, dreimal schreien und das Kind liegt unter ihr und gibt den ersten kleinen Schrei von sich. Ganz schön viel Kind denke ich und die beiden Hebammen schätzen das Mädchen auf fast 5 kg. Das kann doch nicht sein, denke ich. So groß war der Bauch nun auch nicht. Später wird sich auf der Waage herausstellen, dass die Schätzung ziemlich gut war: 4790 g.
Der Moment, in dem unsere Tochter das erste Mal an der Brust trinkt, ist so wunderschön, dass mir die Tränen in den Augen stehen. Nur die Geburt der Plazenta will nicht so richtig in Schwung kommen, aber Nicole und Yvonne haben viel Geduld. Bei der letzten Geburt, die nach einem Start im Geburtshaus im Krankenhaus endete, wurde die Plazenta „herausgezogen“. Das Baby saugt kräftig an der Brust und wir haben Zeit, noch einmal in Ruhe über den Namen zu diskutieren. Nach 30 min haben wir uns für einen Namen entschieden und die Plazenta kommt ohne weitere Hilfe heraus. Ich halte unsere kräftige und starke Tochter bewundernd in meinem Arm.
Nach einem Gläschen Sekt bekommen wir von Yvonne und Nicole eine schöne Kerze geschenkt und machen uns auf den Weg nach Hause.
Um 5.45 Uhr sind wir wieder zu Hause mit einem Baby im Arm. Der Bäcker hatte leider noch zu. Wir sind gespannt, wie die „große Schwester“ reagiert, wenn sie das Baby zum ersten Mal sieht. Originalton: Ohhh! Daaaaaaaa!